Die BGH-Entscheidung von 2011 zum Thema „Keine Sonderrechte für die Presse“ (Urteil vom 1. Dezember 2011, Az.: I ZR 146/10) behandelte die Frage, ob Presseunternehmen im Rahmen der Berichterstattung besondere Rechte zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte (hier: Musik) geltend machen können.
Hintergrund
Der Fall betraf die Nutzung von urheberrechtlich geschützter Musik in Online-Angeboten von Presseunternehmen.
Ein Verlag hatte auf seiner Website Musik in Form von Streaming oder Download ohne vorherige Lizenzierung durch die Rechteinhaber bereitgestellt.
Der Verlag argumentierte, dass die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke durch die Presse privilegiert sei, insbesondere im Zusammenhang mit der Berichterstattung.
Entscheidung des BGH
Der BGH stellte klar, dass Presseunternehmen keine Sonderrechte zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke haben.
Die Urheberrechtsfreiheit der Berichterstattung gemäß § 50 UrhG ist auf zeitgeschichtliche Ereignisse beschränkt, bei denen die Berichterstattung nur als begleitende Nutzung geschützt ist. Eine Nutzung, die über den eigentlichen Informationszweck hinausgeht (z. B. Unterhaltung oder Vermarktung), wird hiervon nicht abgedeckt.
Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass das Bereitstellen von Musik als eigenständiger Inhalt nicht unter das Privileg der Pressefreiheit fällt.
Wichtige Argumente des Gerichts
Schutz der Urheberrechte:
Die Rechte der Urheber und Verwertungsgesellschaften dürfen nicht durch Berufung auf die Pressefreiheit eingeschränkt werden.
Keine automatische Privilegierung:
Die Presse darf urheberrechtlich geschützte Werke nicht ohne Zustimmung oder Lizenzierung nutzen, wenn die Nutzung über den eigentlichen Berichterstattungszweck hinausgeht.
Abwägung von Interessen:
Die Pressefreiheit (Art. 5 GG) wird in Einklang mit dem Eigentumsschutz der Urheberrechte (Art. 14 GG) gebracht. Beide Grundrechte stehen gleichrangig nebeneinander.
Bedeutung der Entscheidung
Klarstellung für die Praxis:
Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Musik durch Presseunternehmen bedarf einer ausdrücklichen Lizenzierung.
Abgrenzung des Berichterstattungsprivilegs:
Es gibt keine generelle Sonderstellung für die Presse bei der Verwendung urheberrechtlich geschützter Inhalte.
Stärkung der Urheberrechte:
Die Entscheidung bestätigt, dass das Urheberrecht auch im digitalen Zeitalter und bei Online-Angeboten uneingeschränkt gilt.
Praxisbezug
Presseunternehmen müssen für Musik, die sie auf ihren Plattformen verwenden (z. B. in Podcasts, Online-Artikeln, Multimedia-Berichten), vorher entsprechende Rechte erwerben.
Die Entscheidung wirkt sich insbesondere auf die digitalen Angebote von Verlagen aus, da Musik dort häufig als begleitendes oder zusätzliches Element verwendet wird.
Die Entscheidung des BGH ist ein wichtiger Präzedenzfall für die klare Trennung zwischen der Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte für zeitgeschichtliche Berichterstattung und der kommerziellen Nutzung durch die Presse.